Planfeststellungsbeschluß für die Straßenbahnverlängerung Linie 1 und 8 durch Huchting (Teil 3)

BSAG_LOGO_LINIE1In dem dritten Teil Blicken wir noch einmal auf die Fahrgastzahlen und auf einzelne Unternehmen, die sich in Ihrer Existenz bedroht sehen. Gerade wenn es Inhabergeführte Geschäfte sind, sind die Reserven und auch das durchhalte Vermögen nicht sehr hoch, wie bei einer Kette.

Rückblickend kann man aber sagen, das nach dem Studium des Planfeststellungsbeschluß mehr Fragen auftauchen, die nicht beantwortet werden, und zudem eine starke Diskrepanz aufweisen zwischen dem, was tatsächlich im Stadtteil an Benutzung stattfindet und den Aussagen im Planfeststellungsbeschluß. Außerdem wird eine Infrastrukturelle Schneise durch den Stadtteil geschlagen, die sich auch Sozial und Ökonomisch auf den Stadtteil auswirken wird, wenn die Straßenbahn gebaut wird…

Die Planfeststellungsbehörde ist nach sorgfältiger Überprüfung aller Argumente zu der Überzeugung gelangt, dass durch die Straßenbahn eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs im Stadtteil Huchting erreicht werden wird. Sofern einzelne Betroffene zukünftig die von ihnen benötigten Fahrten nur mit erhöhtem Aufwand durchführen können, tritt deren Interesse hinter das der Allgemeinheit zurück.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 64 unten)

Impliziert: Die Bürgern müssen nach Beschluß der Planer und dem Senator Lohse sowie der BSAG längere Wege sowohl zu den Haltstellen, als auch länger Verkehrswege in Huchting hinnehmen. Das ist aber nicht im Sinne des ÖPNV. Denn der ÖPNV sollte immer dort sein, wo sich die Bürger befinden. Auch bei einer solchen Linienverlängerung oder Verkehrsveränderung, muß für den gesamten Stadtteil dieselbe Erreichbarkeit möglich sein, das gilt für die Haltstellen, für die Reisezeit innerhalb eines Stadtteils – von Flämische Straße zur Obervielander Straße jetzige Fahrzeit 8 Minuten auf 15 Minuten mit Umsteigen und Wartezeit – und für die Taktzeiten der einzelnen Fahrzeuge. Hier aber wird die BSAG bevorzugt behandelt damit Sie ihr Monopol in Bremen behalten kann.

Im Gegensatz dazu ist den einzelnen Fahrgästen, die nun nicht mehr auf direktem Wege zum Friedhof Huchting durchfahren können, ein Umsteigen zuzumuten.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 64 unten, Seite 65 oben)

Es handelt sich mitnichten um „einzelne Fahrgäste“, die nur mal zum Friedhof Huchting wollen. Dort gibt es auch Wohnungen und Nahversorgung. Es ist nicht jedem zuzumuten, mal eben – gerade Gehbinderte oder auf den Rollator angewiesene Menschen – quer durch Huchting zu fahren, um dann umzusteigen. Da aber die Planer aber nicht in Huchting wohnen und ansonsten immer mit dem Auto fahren, kann man das von der Bevölkerung verlangen. Selber aber würden sie das nicht hinnehmen wollen. Für viele ist das ein sehr beschwerlicher Weg und mit vollen Taschen lange Wege zu laufen ist auch nicht gerade angenehm. Zudem geht die Politik und die Planer davon aus, das die Menschen alle mit sofortiger Wirkung das Auto stehen lassen und nur noch mit der BSAG fahren. Das ist aber ein Trugschluß. Friedhof Huchting beherbergt neben einer Bank auch Nahversorgung. Das gibt ist nur noch schwerlich mit dem ÖPNV erreichbar…

Den in den Einwendungen vorgetragenen Bedenken hinsichtlich des prognostizierten Fahrgastaufkommens wird nicht gefolgt. Eine Bedarfsprognose ist rechtmäßig, wenn sie auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Maßstäbe beruht und methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist.

Für das geplante Vorhaben liegt der danach berechnete Mehrverkehr bei 748 induzierten Fahrten und 3.187 vom MIV auf den ÖPNV verlagerten Fahrten je Werktag. Diese Prognose ist unter Berücksichtigung aller feststehenden künftigen Verkehrsentwicklungen durchgeführt worden und belegt den Bedarf für das geplante Vorhaben.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 65)

Theoretische Zahlen.

Das ganze Projekt läuft seit Anfang 1970 und wurde 1999 wieder aufgenommen. Erst im Jahre 2010 wurden neue Zahlen erstellt und diese flossen in die Standardisierte Bewertung ein. Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt eine ganz andere Bevölkerungsstruktur in Huchting. Die Mehrfahrten sind auch nur rein theoretischer Natur und sorgen dadurch für einen Wert in Höhe von 1,09, womit der Bund den Ausbau bezuschusst. In den letzten Jahren hat sich nicht nur die Bevölkerungsstruktur verändert, sondern auch die wirtschaftliche Struktur hat sich verändert.

Es ist korrekt, das eine Bedarfsprognose wissenschaftlich begleitet und methodisch richtig und einwandfrei sein muß, jedoch kann man so eine Bedarfsprognose nur erstellen, wenn die Zahlen korrekt sind, die dafür verwendet werden. Und für diese Bedarfsprognose wurden Zahlen verwendet, die aus dem Hause des Verkehrssenator kamen, ebenso Zahlen der BSAG. Die Fahrgastzahlen für die Auslastung der Busse stammen aber nicht aus der Hauptzeit, sondern aus den Nebenzeiten, wo weniger Passagiere unterwegs waren.

Zudem wurden die Zahlen erstellt, als der Verkehrsentwicklungsplan 2025 noch nicht bestand hatte und auch noch nicht vom Senat verabschiedet wurde. Daran konnten sich auch die Bürger beteiligen und Ideen einbringen. Leider wurde das erst 2014/2015 durchgeführt. Und auf diesen Verkehrsentwicklungsplan 2025 beruft sich nun der Verkehrssenator für die Linienverlängerung. Das ist ein sehr dürftiges Argument…

Die Einwender sprechen sich grundsätzlich gegen die Maßnahme aus, insbesondere, weil sie die Belange von älteren und gehbehinderten Menschen unzureichend berücksichtig sehen.

Im Wesentlichen wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 3.2 zu den häufig vorgetragenen Einwänden und Forderungen verwiesen.

Die Umsteigewege an der Endwendeschleife Brüsseler Straße zwischen der Straßenbahnlinie 1 und der Buslinie 58 betragen ca. 160 m bzw. ca. 170 m. Dabei werden alle Querungsstellen barrierefrei hergestellt. Es wird nicht verkannt, dass hier im Einzelfall einige Ziele etwas umständlicher zu erreichen sind und für mobilitätseingeschränkte Personen Nachteile ergeben. Gleichwohl ist die Erreichbarkeit der benannten Ziele noch in zumutbarer Art und Weise sichergestellt.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 181, Mitte)

Das die BSAG und auch die Stadtplanung mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, wo bereits an vielen Ort auf die Bedürfnisse bestimmter Bevölkerungsgruppen Rücksicht zu nehmen und dementsprechend auch Barrierefrei zu bauen, ist schon mal Lobenswert. Das man aber im nächsten Atemzug sagt, das es den älteren und gehbehinderten Menschen, oder vielmehr mobilitätseingeschränkten Personen zuzumuten ist, in einem Stadtteil umzusteigen und längere Fußwege in Kauf zu nehmen, ist dann doch ein starkes Stück.

Gerade im Bereich Kirchhuchtinger Landstraße, wo im Grunde nur alle 20 bis 30 Minuten ein Bus Richtung Roland-Center fahren soll, erwarten die Planer, das gerade Ältere mit Ihrem Rollator von der Hermannsburg, durch die Rotterdamer Straße, Kladdinger Straße, Neuer Damm bis zur neuen Haltestelle Auf den Kahlken laufen. Übersehen wird bei der Planung, das gerade die Leute, hier seit mehr als 20 oder 30 Jahren leben, nicht einfach den Stadtteil den Rücken kehren werden. Sie werden hier alt. Dementsprechend wird es für diese Menschen dann später schwieriger lange Wege zu den Haltestellen zurückzulegen, wie es von den Planern und der BSAG verlangt wird.

In diesem Punkt ist die BSAG nicht Kundenfreundlichen, sondern läuft konträr dem Verlangen der Bevölkerung und deren Vorschlägen entgegen. In diesem Fall geht es einzig um die BSAG selber.

Aber auch bei den Unternehmen und die Erreichbarkeit der selbigen im Stadtteil ist den Planern die BSAG wichtiger, als die Einzelunternehmen, die einen Stadtteil am laufen halten.

Die Einwenderin spricht sich unter Nennung einer Vielzahl von Argumenten grundsätzlich gegen die Maßnahme aus, sie befürchtet Beeinträchtigungen sowohl vom Bau als auch durch den Betrieb der Straßenbahn. Insbesondere macht sie geltend, während der Bauzeit existenziell in ihrer Berufsausübung als Logopädin beeinträchtigt zu werden.

Die Erreichbarkeit der Grundstücke an der Westseite der Kirchhuchtinger Landstraße zwischen Werner-Lampe-Straße und Willakedamm ist auch Richtung Stuhr kommend mit dem Pkw zukünftig nicht mehr direkt möglich, da in den Bereichen mit besonderem Bahnkörper in Mittellage außerhalb der Knotenpunkte ein Queren der Straße nicht erlaubt ist. Der besondere Bahnkörper in der Kirchhuchtinger Landstraße dient der Beschleunigung des ÖPNV und ist Voraussetzung für die Förderung der Maßnahme mit Bundesmitteln. Zum Anfahren der Grundstücke in diesem Bereich mit dem Pkw kann zukünftig entweder über die Straße An der Höhpost gefahren und auf dem Gelände des Roland-Centers gewendet werden oder es wird eine Kehrfahrt an der Anschlußstelle der B75 (Kreisel) vorgenommen. Zur Abfahrt von diesen Grundstücken in Richtung Huchtinger Kreisel ist eine Wendefahrt über den Willakedamm erforderlich.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 217)

Bereits bei dem Umbau und der Modernisierung der Haltestelle Theater am Leibnitzplatz kam es zu einem Eklat, da die Bauunternehmer Ihre Container so vor den Läden aufgestellt hatten, das diese für die Kunden teilweise nicht erreichbar waren.

Gleiches geschah auch bei der Verlängerung der Linie 4 nach Lilienthal. Auch dort mußten viele Einzelunternehmen Ihre Läden im nachhinein schließen, da der Umsatz stark zurück ging. Das selbe blüht auch Huchting, da der Stadtteil klein und gut gewachsen ist. Die Kirchhuchtinger Landstraße wurde immer als „Einkaufsstraße“ angesehen, denn dort hatten sich diverse Läden angesiedelt. Durch das Roland-Center veränderte sich die Einzelhandelsstruktur im Stadtteil, jedoch nicht die Infrastruktur.

Das sich die Infrastruktur nicht anpassen mußte, liegt auf der Hand: Alles fährt in Richtung Roland-Center, und entlang der Kirchhuchtinger Landstraße sind immer noch diverse Einzelhändler und Dienstleister, die Ihre Waren und Dienstleistungen anbieten. Gerade rund um das Roland-Center hat sich so eine Einzelhandelsstruktur entwickelt, die durch den Bau der Straßenbahn wirtschaftlich in die Ecke gedrängt wird.

Erschwerend kommt hinzu, das man einen Bahnkörper errichten möchte, bei dem es nicht möglich ist, aus Richtung Stuhr kommend nach links – z. B. auf die Parkplätze der Deutschen Bank – abzubiegen, nur damit die Straßenbahn gute 400 Meter „schneller“ in den Bereich Willakedamm abbiegen kann. Zwei harte Kurven für die Straßenbahn, wo sie nicht schnell fahren kann. Das es dadurch auch zu einem Rückstau kommen kann, ist den Planern anscheinend auch nicht klar. Es wird halt davon ausgegangen, das alle Huchtinger und alle Autofahrer sofort auf die Straßenbahn umsteigen sollen… nein sogar müssen!

Damit die Huchtinger zur Deutschen Bank kommen oder zu dem dort ansässigen Arzt oder Anwaltskanzlei, muß man zum Huchtinger Kreisel fahren, und wieder in Richtung Roland-Center um dann dorthin zu gelangen.

Dies wurde nur geschaffen, damit der Bund die Gelder freimacht. An ein Zusammenspiel von Individualverkehr und ÖPNV wurde nicht gedacht.

Aufgrund der beschriebenen Maßnahmen ist davon auszugehen, dass existenzgefährdende Auswirkungen aus den Bautätigkeiten nicht zu erwarten sind. Sicherlich wird es zu Beeinträchtigungen kommen, die sich jedoch nicht vollständig vermeiden lassen. Mit Hilfe des Baustellenmanagements können diese aber auf ein verträgliches Maß reduziert werden.

Mietausfälle sowie Umsatz- und Renditeeinbußen sind kurzfristig nicht auszuschließen, führen aber nicht zu einem Ersatzanspruch. Vielmehr wird erwartet, dass die Neugestaltung des Straßenzuges zu einer Attraktivitätssteigerung führt, die langfristig positive Wirkungen entfaltet.

(Quelle: Planfeststellungsbeschluß, Seite 220 und 221)

Wie bereits oben geschildert, wurden auch in Lilienthal und in der Neustadt bei dem Umbau des Theater am Leibnitzplatz ein Baustellenmanagement eingesetzt, das aber immer nur dann reagiert hatte, wenn sich die Einzelhändler und Anwohner beschwert hatten, dann aber nicht auf deren Kritik reagiert hat. Hier wird das nicht anders sein, als das einfach die Einzelhändler im Regen stehen gelassen werden.

Durch die Baumaßnahmen kommt es zu Umsatz- oder Mietausfällen, die aber nur „kurzfristig“ sein sollen. Laut Aussage der Planer der Verkehrsbehörde dauert der Bau von der Werner-Lampe-Straße bist zum Abzweig Willakedamm knappe 2 Jahre! Das ist nicht kurzfristig das ist schon eine lange Zeit, gerade für einen kleinen Einzelhändler. Den Umsatzausfall muß der Unternehmer „ertragen“ und dem Finanzamt dafür Rechenschaft ablegen. Gerade bei einer so langen Zeit wird sich das Finanzamt schon wundern, warum die Umsätze zurück gehen, und wohl kaum einen Zusammenhang mit der Linienverlängerung assoziieren.

Aber die Planer blicken in die „Glaskugel“ und wissen, was nach der Linienverlängerung passiert: Alles wird viel besser, der Straßenzug wird viel schöner und die Umsätze steigen wieder. Aber nur, wenn die Einzelhändler die fast zwei Jahre Bauzeit durchstehen. Wenn nicht, dann hat Bremen eben weniger Steuereinnahmen und sich vor den Wählern resigniert hinstellen und lamentieren das es kaum noch Einzelhändler gibt. Es liegt an der Politik und den Planern, nicht an den Einzelhändlern. Keiner wird sich an so einer Stelle wieder einen Laden eröffnen. Wir würden jedenfalls kein Geschäft an der Stelle eröffnen, wenn unsere Kunden und Lieferanten nicht an unser Geschäft gut ran kommen können.

Mit dem letzten Satz „… langfristig positive Wirkungen entfalten“ versuchen die Planer dem ganzen noch etwas positives zu entlocken, um zu zeigen, das Sie für den Stadtteil sind. Dabei blicken sie nicht in den Mikrokosmos sondern auf den Makrokosmos.

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